Daten statt Geld:
Intimstes in fremden Händen
Firmen wie Amazon, Facebook und Google sammeln und speichern Daten in großem Stil. Wissenschaftler haben inzwischen Modelle entwickelt, die diese Daten so zusammenführen, dass sie einen tiefen Einblick in unsere Persönlichkeitsstrukturen bieten. Mit nur zehn Likes bei Facebook beispielsweise, kennt die Maschine den Nutzer besser als ein Arbeitskollege. 300 Likes reichen aus, damit sie den User besser kennt als er sich selbst. Was sonst noch alles möglich ist? Zwei IT-Spezialisten geben Antworten, Heilbronner erzählen von ihren Nutzungsgewohnheiten.
Was die Internetriesen alles über uns wissen
Von Anna-Lena Sieber
Dass unsere Daten von Konzernen wie Google, Facebook oder Amazon gesammelt und gespeichert werden, ist zu großen Teilen bekannt. Auch Jugendliche sind im Umgang mit den sozialen Medien sensibilisiert. Bei einer Umfrage in der Heilbronner Innenstadt geben alle Befragten an, Datenschutz sei ihnen wichtig und sie würden darauf achten, dass die Inhalte, die sie hochladen, ihnen auch später nicht schaden können.
150 Likes reichen aus, damit die Maschine dich besser kennt als deine Eltern
Wie wenig es aber inzwischen braucht, um einen Menschen zu analysieren, zeigt Stefan Strobel von der IT-Sicherheitsfirma Cirosec auf. „Es gab Studien von Wissenschaftlern, die gezeigt haben, wie man anhand des Like-Verhaltens der Facebook-Nutzer ein sehr genaues Profil über die Leute erstellen kann“, sagt Strobel. „Zehn Likes auf Facebook reichen aus, damit man Sie besser einschätzen kann, als ein durchschnittlicher Arbeitskollege.“ Mit 70 Likes übertreffe das Modell die Menschenkenntnis eines Freundes, mit 150 Likes die der Eltern und mit 300 Likes könne die Maschine das eigene Verhalten besser vorhersagen als man selbst.
Eigene Posts und Bilder vervollständigen das Bild
„Das ist, weil man mit künstlicher Intelligenz und Wahrscheinlichkeitsmodellen Zusammenhänge errechnen kann“, erklärt Strobel. Bestimmte Musikgruppen oder bestimmte Politikeraussagen, die vom Nutzer einen Daumen nach oben bekommen haben, lassen so Rückschlüsse darauf zu, was das für eine Person ist. Eigene Posts und hochgeladene Bilder kommen dazu und vervollständigen das Bild. Das Posten privater Bilder kann auch direkte Auswirkungen auf den Nutzer haben: „Bei der Einschulung posten manche auch Bilder von ihren Kindern in Kombination mit dem Namen der Schule. Dann wird man abgepasst und dann kommt das Kind irgendwann nicht mehr heim“, befürchtet Kathleen Reiser (26) bei der Straßenumfrage.
Das Märchen vom Schutz unserer Daten
Von Anna-Lena Sieber
Es war einmal ein großes Königreich. Auf drei Bergen lebten drei verschiedene Könige: Google, Amazon und Facebook. Die Könige regierten nebeneinander in Frieden, denn es gab genug Bürger für alle. Sie wachten gut über ihr Volk und sorgten dafür, dass es glücklich und zufrieden leben kann. Jeder auf seine eigene Weise: König Google versorgte seine Untertanen unter anderem mit Informationen und führte sie sicher an ihre Ziele. König Amazon wiederum legte den Kunden auf Wunsch Pakete vor die Türe und unterhielt sie mit Filmen und Musik. Der dritte König, König Facebook, sorgte dafür, dass die Untertanen jederzeit mit ihren Freunden in Kontakt treten, dass sie sich untereinander austauschen und gemeinsame Interessen entdecken können. Die Untertanen nahmen die Dienste ihrer Könige sehr gerne in Anspruch. Und so lebte das Volk lange Zeit in Harmonie und Glückseligkeit mit seinen Herrschern zusammen. Doch mit der Zeit begannen sich einige Bürger zu fragen, wie die Könige zu so großem Reichtum kommen konnten, wo sie doch, bis auf König Amazon, gar keine Abgaben für ihre Dienste forderten.
Die Dienste der Könige machten das Leben so viel schöner
Nach und nach machte sich die Angst unter den Bürgern breit, die Könige könnten Spione im Königreich herumschicken, die heimlich durch ihre Fenster spähten. Denn wie sonst könnten die Herrscher so genau wissen, was jeder einzelne Bürger braucht. Einige Gelehrte fanden aber heraus, dass die Bürger selbst den Königen ihr Wissen lieferten. Denn König Google merkte sich ganz genau, was seine Bürger wissen wollten und wohin sie gingen. König Amazon, der für die Bürger im Laufe der Jahre sogar eine persönliche Assistentin entwickelt hatte – mit der sie sprechen konnten und die ihnen antwortete – hörte auch zu, wenn die Bürger sich eigentlich alleine wähnten. König Facebook speicherte die persönlichen Vorlieben seiner Untertanen. Jetzt wurde den Bürgern doch etwas mulmig zumute. Aber die Dienste der Könige machten ihr Leben so viel schöner. Außerdem versicherten die Herrscher, dass sie verantwortungsvoll mit ihren Informationen umgehen würden.
Donald Trump nahm es mit der Fairness nicht so genau
Doch da begab es sich zu einer Zeit, dass eines der vielen Dörfer des Reiches, Amerika genannt, einen neuen Bürgermeister wählen sollte. Ein Gelehrter, den König Facebook zu sich berufen hatte, um seine Dienste zu verbessern, gab viele der persönlichen Informationen, die die Bürger wohl gehütet wähnten, preis. Donald Trump, der so unbedingt Bürgermeister werden wollte, dass er es mit der Fairness nicht so genau nahm, nutzte diese Daten. Durch sie konnte er seinem Dorf genau das versprechen, was es sich wünschte, denn das hatten die Untertanen König Facebook ja verraten. So gewann Donald Trump die Wahl gegen andere Bürgermeister, die diese Informationen nicht hatten.
Von der Gefahr, dass private Daten öffentlich werden
König Facebook war die Sache sehr unangenehm, hatte er doch das Versprechen gegenüber seinen Untertanen gebrochen. Er versuchte, sein Wissen noch besser zu sichern. Aber die Sorgen der Bürger wurden größer. Was, wenn die drei Könige irgendwann ihre Meinung ändern würden, oder das Königreich von anderen Eroberern eingenommen werden würde? Dann bestünde die Gefahr, dass alle ihre persönlichen Daten plötzlich öffentlich gemacht werden würden. Doch inzwischen hatten sie sich an die Dienste ihrer Könige so sehr gewöhnt, dass sie meinten, ohne sie nicht leben zu können. Und so füttern sie die Könige noch heute mit privaten Informationen, in der Hoffnung, es würde nie gegen sie verwendet werden.