Wenn Elfjährige schon auf Sex im Internet treffen

Von Bigna Fink

Eine Frage an Dieter Ackermann, Kriminalhauptkommissar in Heilbronn: Wie schaden sich Jugendliche im Internet durch sexuelle Inhalte?

Dieter Ackermann erläutert im Haus des Jugendrechts, wie pornografische Inhalte im Netz für Jugendliche zum Problem werden. Foto: Bigna Fink

Anzeigen gegen junge Täter bis 21 Jahren landen bei den Jugendabteilungen von Staatsanwaltschaft und Polizei, kurz im Haus des Jugendrechts in Heilbronn. Die Strafbarkeit beginnt ab 14 Jahren.

Pornografische Bilder an Minderjährige senden hat Konsequenzen

„Schickt ein 15-Jähriger einer 13-Jährigen das Foto seines Penisses per Whatsapp zu, ist das keine normale Aufnahme sondern eine pornografische“, stellt Dieter Ackermann klar. Nacktbilder seien nicht per se pornografische – es müsse dafür ein Geschlechtsteil im Fokus sein oder die Person sexuelle Handlungen an sich vornehmen. Nach Paragraf 176 des Strafgesetzbuches ist das sexueller Missbrauch von Kindern. „Wer auf ein Kind durch Vorzeigen pornografischer Abbildungen, Darstellungen oder durch Abspielen von Tonträgern pornografischen Inhalts einwirkt,“ liest der Kriminalhauptkommissar aus dem Gesetzbuch vor, „wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.“

Betroffene werden immer jünger

Besonders ein Aspekt habe sich durch die Digitalisierung stark verändert: Das Alter von Betroffenen durch unfreiwilliges Sexting – das Versenden von erotischem Bildmaterial via Smartphone – sinke laut Ackermann deutlich. Früher kümmerten er und seine Kollegen sich um Fälle von 16- und 17-jährigen Frauen, die mit Sexting oder gar Erpressungen diesbezüglich zu tun bekamen.  „Jetzt geht es verstärkt um elf- bis zwölfjährige Mädchen, deren Eltern junge Täter anzeigen“, sagt Ackermann. „Für deren Fälle verzeichnen wir einen drastischen Anstieg an Anzeigen.“ Natürlich gehen die Beamten von „einem unglaublich hohen Dunkelfeld aus“. Sehr oft werde auch einfach keine Anzeige erstattet. Nicht immer sei aber eine Anzeige für die Betroffenen sinnvoll.

Nur eine Veränderung der Sexualität

Sexting sollte man nicht dramatisieren, meint Ackermann, der diesen Ansatz mit Eva Borries, Referentin für Medienkompetenz aus Landau, teilt. Sie beschreibt das Phänomen Sexting sehr treffend: Solange es nicht missbraucht werde, sei der private Austausch selbst produzierter erotischer Fotos eigentlich nur eines: Eine veränderte Form der Sexualität mit den Mitteln, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben habe.

Mediennutzung sollte im Ethikunterricht besprochen werden

Was bei Ackermanns Team wöchentlich vorkommt: Viele Fälle von jungen Frauen, die sehr sorglos mit ihren Daten umgehen. Typisch sei eine 13-Jährige mit dem Glauben, dass der aktuelle Freund vertrauensvoll mit dem Inhalt umgehe. „Sie schickt Bilder von sich, von Handlungen an sich. Man filmt sich gemeinsam, schickt das hin und her. Und der 14-Jährige sagt sich dann: Oh geil, tolles Bild, das schick ich mal meinem Kumpel. Und bei jedem Weiterleiten wird das Unrechtsbewusstsein immer geringer.“ Da helfen Sätze des Kriminalhauptkommissars wie: „Das Internet hat keinen Radiergummi“, auch nicht mehr. Die große Mehrheit der jungen Frauen habe aber ein gesundes Selbstbewusstsein, fügt Ackermann hinzu. „Sie gehen sorgfältig mit ihren Daten um und sind sensibilisiert.“ Es werde innerhalb der Schulen dafür auch „eine unglaubliche Prävention“ gemacht. Sinnvoll  sei die Mediennutzung, auch von sexuellen Inhalten, mit den Schülern im glaubensunabhängigen Ethikunterricht Schülern zu besprechen, findet Ackermann. „Denn Mediennutzung hat viel mit Ethik, mit Respekt zu tun.“

Foto: Esther Vargas, flickr

Jugendschutzfilter eher nutzlos

Wichtig sei zu Hause eine klare Debatte zum Thema Smartphone-Nutzung und Internetzugang. „Gute Erfahrungen haben meines Wissens nach Eltern gemacht, die misstrauisch sind und sehr stringente Regeln für ihre elf- und zwölfjährigen Kinder haben“, sagt Ackermann. „Zum Beispiel: Ab 20 Uhr darf das Handy nicht mehr im Zimmer sein. Oder: Du kriegst ein Handy, aber ich möchte regelmäßig reingucken.“ Wichtig sei hier, diese Maßnahme zu erklären. „So eine Kontrolle heimlich zu machen, wäre wie Tagebuchlesen und zerstört das Vertrauen.“ Von Jugendschutzfiltern hält der Polizist eher wenig: „Wenn Sie einen Filter installieren, kann Ihr Kind innerhalb weniger Minuten auf dem Schulhof in Erfahrung bringen, wie man den Code wieder knackt.“

Die Filme sind ohne Gefühl

Sollte man mit Elf- und Zwölfjährigen schon über Sexfilme reden, Herr Ackermann? „Also ich würde dem Kind jetzt keinen Porno zeigen. Aber es ist sinnvoll, über die unterschiedlichen körperlichen Beziehungen von Menschen mit dem Kind zu sprechen.“ Etwa so: „Vieles hat mit Liebhaben zu tun. Und dann gibt es auch Filme, die verkauft werden, und bei denen kein Gefühl mit dabei ist.“

Zur Person:

Dieter Ackermann ist Kriminalhauptkommissar und Leiter im Haus des Jugendrechts in Heilbronn. Hier arbeiten Staatanwaltschaft, Polizei, Jugendamt und Amtsgericht eng zusammen. Das Ziel: junge Straftäter auf den rechten Weg zurückzubringen und Jugendliche davor zu schützen, auf die schiefe Bahn zu geraten.

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